September 2006 - Marcel Proust

  • Hallo,
    bin jetzt wieder reingekommen in das Buch und wieder fasziniert von der Dichte der Sprache. Welch eine Beobachtungsgabe und Reflexion. Indem er Bergotte schildert, reflektiert er die gesprochene Sprache mit der geschriebenen, die ganz anders wirkt, weil sie bearbeitet ist, aber doch in Beziehung zur gesprochenen steht. Er spricht von der Melodie der Sprache, die ein Eigenleben hat, weil sie lebt. Mir fällt dazu der Vergleich ein, dass man vom Abstakten wieder zurück zum Konkreten im Detail Dinge wieder natürlich und ursprünglich beschreibt, dann, wenn man ganz bei sich selbst ist. Die Authentizität des Schriftstellers, die unbedingt vorhanden sein muss, wenn man glaubwürdig schreiben will. Er spricht von einem Spiegel, der durch die Reflektion zurückstrahlt und dadurch Allgemeingültigkeit bekommt. Die eigene Person wird zu einem Spiegel und alles was man aufnimmt wird reflektiert. Dann darüber, dass Moralität durchaus im Widerspruch zum Geschriebenen stehen kann.Dann wieder von der Verletzbarkeit des Künstlers der sich so öffnet, Dass "er sich in der Flut aller der im Leben verlor, die seine Phantasie erfand"...und an sich selbst die Gefühle der anderen so empfand als wären es seine eigenen. Als Proust wieder die Enttäuschung über die Berma thematisiert merkt er, dass dieses Bild, weil es schon bearbeitet wurde nicht mehr veränderbar ist.
    Es ist in jedem Bild so viel vorhanden, dass man einen Eindruck davon bekommt weshalb es so notwendig war für Proust seine eigenen Eindrücke, die er mit sehr großer Sensibilität und Durchlässigkeit aufgenommen hat, zu beschreiben um sich nicht zu verlieren.


    Zypresse


  • Hallo,
    bin jetzt wieder reingekommen in das Buch und wieder fasziniert von der Dichte der Sprache. Welch eine Beobachtungsgabe und Reflexion. Indem er Bergotte schildert, reflektiert er die gesprochene Sprache mit der geschriebenen, die ganz anders wirkt, weil sie bearbeitet ist, aber doch in Beziehung zur gesprochenen steht. Er spricht von der Melodie der Sprache, die ein Eigenleben hat, weil sie lebt. Mir fällt dazu der Vergleich ein, dass man vom Abstakten wieder zurück zum Konkreten im Detail Dinge wieder natürlich und ursprünglich beschreibt, dann, wenn man ganz bei sich selbst ist. Die Authentizität des Schriftstellers, die unbedingt vorhanden sein muss, wenn man glaubwürdig schreiben will. Er spricht von einem Spiegel, der durch die Reflektion zurückstrahlt und dadurch Allgemeingültigkeit bekommt. Die eigene Person wird zu einem Spiegel und alles was man aufnimmt wird reflektiert. Dann darüber, dass Moralität durchaus im Widerspruch zum Geschriebenen stehen kann.Dann wieder von der Verletzbarkeit des Künstlers der sich so öffnet, Dass "er sich in der Flut aller der im Leben verlor, die seine Phantasie erfand"...und an sich selbst die Gefühle der anderen so empfand als wären es seine eigenen. Als Proust wieder die Enttäuschung über die Berma thematisiert merkt er, dass dieses Bild, weil es schon bearbeitet wurde nicht mehr veränderbar ist.
    Es ist in jedem Bild so viel vorhanden, dass man einen Eindruck davon bekommt weshalb es so notwendig war für Proust seine eigenen Eindrücke, die er mit sehr großer Sensibilität und Durchlässigkeit aufgenommen hat, zu beschreiben um sich nicht zu verlieren.


    Zypresse


    Hallo zusammen,


    Die Begegnung mit Bergotte hat mich bisher am meisten beeindruckt.


    Manjula:
    den 1. Band las ich in der Übersetzung von Eva Rechel-Mertens und bin nun auf die revidierte Ausgabe ihrer Übersetzung von Luzius Keller umgestiegen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()


  • Hallo zusammen,


    danke für den Link. Die Zeichnungen gefallen mir gut. Albertine ist u.a. darin zu sehen. Sie wurde bisher nur einmal erwähnt und zwar als Schulkameradin von Gilberte, jedoch etwas jünger(?). Meine Erinnerung lässt mich jetzt im Stich :zwinker:


    Zitat von "Manjula"


    Dieser Zeitsprung hat mich zuerst ein bisschen verwirrt: gerade war er noch mit Gilberte spielen (naja, so unschuldig waren seine Ringerspielchen ja nicht ), schon erzählt er, ganz Lebemann, von seinen Freudenhausbesuchen


    die Szene fand ich sehr interessant. Der Schleier auf zukünftiges wurde kurz angehoben und wieder fallengelassen. Toll gemacht.
    Die Themen wiederholen sich laufend. So nun auch der Schnitt den der Erzähler in Bezug auf Gilberte macht. Er geht nur noch in ihrer Abwesenheit zu Swanns und doch wartet er zu Hause darauf, dass ein Briefchen von Gilberte mit einer Entschuldigung eintrifft und er malt sich aus, wie er dann handeln wird. Er macht nun das mit, was Swann mit Odette mitmachte, nur in jugendlich-verkürzter Form.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Danke für den Comic-Tipp :klatschen:


    Nachdem ich nun mitten bei Marcels Liebeskummer bin, habe ich Gelegenheit, die vorausgegangenen Seiten zu überdenken. Ich habe das Gefühl, dass sich der Stil Prousts auch, je nach Personen oder vielleicht auch Stimmungen ändert. So fiel mir das Lesen der Seiten mit Norpois viel schwerer als danach die Begegnung mit Bergotte. Die Sätze empfand ich als komplizierter und gezierter, während mir die Bergotte-Szene flüssiger und leichter erschien. Norpois ist ja nun auch nicht gerade auf Marcels Seite, Bergotte dagegen wird sehr positiv, fast väterlich geschildert. Vielleicht mag es auch daran gelegen haben ?


    Ist euch diesbezüglich etwas aufgefallen oder hatte ich bei Norpois einfach einen schlechten Tag ?


    Gruß von Steffi


  • So fiel mir das Lesen der Seiten mit Norpois viel schwerer als danach die Begegnung mit Bergotte. Die Sätze empfand ich als komplizierter und gezierter, während mir die Bergotte-Szene flüssiger und leichter erschien. Norpois ist ja nun auch nicht gerade auf Marcels Seite, Bergotte dagegen wird sehr positiv, fast väterlich geschildert.


    Es erging mir ähnlich. Es gab immer wieder Szenen mit denen ich nicht so gut zurecht kam. Bin mir nicht sicher, ob hier ein Stilbruch vorliegt, hätte es gefühlsmäßig (habe das nicht untersucht) eher meinen unterschiedlichen Interessen und vorhandenen Kenntnissen zugeschrieben.


    Gruß, Thomas


  • Ich habe das Gefühl, dass sich der Stil Prousts auch, je nach Personen oder vielleicht auch Stimmungen ändert. So fiel mir das Lesen der Seiten mit Norpois viel schwerer als danach die Begegnung mit Bergotte. Die Sätze empfand ich als komplizierter und gezierter, während mir die Bergotte-Szene flüssiger und leichter erschien. Norpois ist ja nun auch nicht gerade auf Marcels Seite, Bergotte dagegen wird sehr positiv, fast väterlich geschildert. Vielleicht mag es auch daran gelegen haben ?


    Ist euch diesbezüglich etwas aufgefallen oder hatte ich bei Norpois einfach einen schlechten Tag ?


    Hallo zusammen,
    hallo Steffi,


    Ich habe mich mit den Passagen, in denen Norpois spricht, ebenfalls schwer getan. Ich weiß nicht, ob ein Stilbruch in den Szenen zu finden ist, doch ich würde es Marcel Proust zutrauen. Ich werde auf jeden Fall darauf achten, ob ähnliches nochmals in der "Mädchenblüte" auftritt. Danke für den Gedanken.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Wenn in "AdSndvZ"(*Auf der Suche nach der verlorenen Zeit*) über die Dreyfus-Affäre gesprochen wird, bin ich jedes Mal etwas aus dem Konzept gebracht. Ich erwarte eigentlich Diskussionen und Gedanken über Musik, Literatur, Eifersucht, Liebe, Kunst ... doch Politik? Das fällt mir schwer zu lesen und bringt mich oft aus dem Lesefluß.


    Wie gehts euch bei diesem Aspekt?


    am besten gefällt mir, wenn der Humorist Proust durch die Zeilen scheint. Wie z.B. auf der S. 128. Da sagt die Mutter des Erzählers:



    Jetzt, wo die Tromberts unterworfen sind, werden auch die Nachbarstämme nicht mehr lange zögern, sich gleichfalls zu ergeben


    oder


    Ich habe Madame Swann auf dem Kriegspfad getroffen. Sicher war sie auf einem erfolgreichen Zug gegen die Massachusetts, Singhalesen oder Tromberts begriffen.


    *grins*


    Wieweit seid ihr? Ich bin auf S. 269.
    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    ich bin heute mit dem ersten Teil fertig geworden. Die Dreyfus-Affäre bringt mich nicht aus der Ruhe, habe allerdings erst mal wieder nachgelesen, wie das denn genau war. Die Menschen scheinen damals sehr aufgebracht gewesen sein, heutzutage sind wir wohl schon daran gewöhnt, dass in der Politik viel gelogen und betrogen wird.


    Mir gefällt Proust am besten, wenn er Natur beschreibt oder auch Vergleiche damit anstellt. Auch die Beschreibungen von Madame Swann am Ende des ersten Teils haben mir gut gefallen. Auch die ironischen Szenen der Gesellschaften haben mich sehr amüsiert, dagegen fand ich das fortwährende Lamentieren über seinen Verlust der Liebe zu Gilberte doch etwas ermüdend. Vorallem, weil es gar nicht so eindeutig schien, dass sie ihn nicht liebt. Hat sie ihn überhaupt geliebt ? Und er - er liebte an ihr doch vorallem auch die Gesellschaft Odettes und die gesellschaftlichen Anlässe.


    Gruß von Steffi


  • Mir gefällt Proust am besten, wenn er Natur beschreibt oder auch Vergleiche damit anstellt. Auch die Beschreibungen von Madame Swann am Ende des ersten Teils haben mir gut gefallen. Auch die ironischen Szenen der Gesellschaften haben mich sehr amüsiert, dagegen fand ich das fortwährende Lamentieren über seinen Verlust der Liebe zu Gilberte doch etwas ermüdend. Vorallem, weil es gar nicht so eindeutig schien, dass sie ihn nicht liebt. Hat sie ihn überhaupt geliebt ? Und er - er liebte an ihr doch vorallem auch die Gesellschaft Odettes und die gesellschaftlichen Anlässe.


    Gruß von Steffi


    Hallo zusammen
    hallo Steffi,


    leider sind die Naturbeschreibung bisher knapp bemessen. Schade. Ich vermisse etwas die Detailliebe für die Natur einer Virginia Woolf und mehr humoristische Elemente eines Thomas Mann. Ich bin oft hin und her gerissen. Die schöne Sprache geht mir nahe, doch den Inhalt finde ich oft ermüdend. "Combray" und "Eine Liebe von Swann" hatten noch den Glanz des Neuen. Nun wiederholen sich die Themen, was vermutlich beabsichtigt ist, oder Marcel Proust konnte vielleicht nicht anders. Ich weiß nicht so recht.


    Trotzdem bin ich neugierig was der Erzähler weiterhin erleben wird. Ob es eine Entwicklung geben wird, frage ich mich. Ich bezweifle es irgendwie, denn da die Szenen sich wiederholen, tritt auch die Entwicklung des Erzählers (bisher) auf der Stelle. Vielleicht kommt es ja auch garnicht darauf an!


    Der Erzähler ist nun unterwegs nach Balbec. Der Abschiedsschmerz von der Mutter ist groß. Das erinnert an "Combray" und das Zubettgehen ohne sie. Ich wage einen Blick voraus und behaupte, er wird von Balbec enttäuscht sein oder von diversen Erlebnissen, weil die Wirklichkeit nicht seinen Träumen entspricht.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo zusammen,


    Elizabeth von Arnim meinte zu Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 'das Leben sei zu kurz um Parties zu versäumen (oder um Proust zu lesen)'.


    :breitgrins:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo Maria,
    hallo zusammen !


    Zitat

    Elizabeth von Arnim meinte zu Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 'das Leben sei zu kurz um Parties zu versäumen (oder um Proust zu lesen)'

    Tststs :breitgrins:


    Ich finde, im zweiten Teil nimmt die Geschichte wieder etwas Fahrt auf. In Balbec beschreibt Marcel wieder die gesellschaftlichen Gepflogenheiten und in dieser Atmosphäre des Grand Hotels hat mich das wirklich fasziniert. Ich spürte eine gewisse Dekadenz, die mich ein bißchen an die Hotelszenen im "Tod in Venedig" erinnerten oder auch an Keyserling. Für Marcel sind sie aber auch so ein wenig ein Abschied von seiner Kindheit.


    Die Beschreibungen des Meeres, die Aussicht aus seinem Zimmer, gefielen mir gut. Im Gegensatz zu Virginia Woolfs "malerischen" Beschreibungen in "Zum Leuchtturm" sind sie sehr sensibel und sehr persönlich. Er beschreibt nur den Augenblick, aber nicht, um ihn wie in einem Bild festzuhalten sondern um sich selbst dabei zu beobachten. Diese innere Reflexion finde ich sehr spannend.


    Marcel ist nun dabei, mit seiner Großmutter und der echten Gräfin eine Kutschfahrt zu unternehmen.


    Gruß von Steffi

  • Elizabeth von Arnim meinte zu Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 'das Leben sei zu kurz um Parties zu versäumen (oder um Proust zu lesen)'.


    Einerseits ja ... andererseits: Wer ist Elizabeth von Arnim? :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Guten Abend,


    und Entschuldigung dafür, dass ich mich solange nicht gemeldet habe. Ich bin etwas aus dem (Lese-)Tritt geraten, aber das ist jetzt hoffentlich vorbei.


    Momentan bin ich an der Stelle, an der der Erzähler sich entscheidet, Gilberte nicht mehr zu sehen. Wie es schon bei ABBA heißt "the history book on the shelf is always repeating itself": auch er erlebt mit seiner großen Liebe sein Waterloo, es ist tatsächlich wie bei Swann. Wenn ich auch bei Swann den Eindruck hatte, bei ihm geht die Liebe tiefer, ja schon ins Krankhafte; der Erzähler scheint eher in die Salonwelt und die Liebe an sich verliebt. Sehr schön fand ich, dass er seine vergeblichen Hoffnungen mit dem Satz rechtfertigt "Wir alle müssen, um die Wirklichkeit für uns erträglich zu machen, ein paar kleine Torheiten in uns nähren." - wie wahr.


    JMaria: die bisherigen Erwähnungen der Dreyfusaffäre habe ich nicht politisch aufgefasst, sondern nur in dem Zusammenhang, wer gesellschaftlich angesehen ist und wer nicht. Deshalb hat mich das auch nicht irritiert; wenn der Erzähler tatsächlich politisieren würde, wäre das allerdings schon eine Überraschung für mich.


    Zitat von "sandhofer"

    Einerseits ja ... andererseits: Wer ist Elizabeth von Arnim?


    Frag mal Bettina :breitgrins:


    Schöne Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo zusammen,



    Ich finde, im zweiten Teil nimmt die Geschichte wieder etwas Fahrt auf. In Balbec beschreibt Marcel wieder die gesellschaftlichen Gepflogenheiten und in dieser Atmosphäre des Grand Hotels hat mich das wirklich fasziniert. Ich spürte eine gewisse Dekadenz, die mich ein bißchen an die Hotelszenen im "Tod in Venedig" erinnerten oder auch an Keyserling. Für Marcel sind sie aber auch so ein wenig ein Abschied von seiner Kindheit.


    Die Beschreibungen des Meeres, die Aussicht aus seinem Zimmer, gefielen mir gut. Im Gegensatz zu Virginia Woolfs "malerischen" Beschreibungen in "Zum Leuchtturm" sind sie sehr sensibel und sehr persönlich. Er beschreibt nur den Augenblick, aber nicht, um ihn wie in einem Bild festzuhalten sondern um sich selbst dabei zu beobachten. Diese innere Reflexion finde ich sehr spannend.


    Dein Vergleich mit Keyserling und ThM finde ich passend. Auch ich finde diese innere Reflexion im Hotelzimmer fesselnder, als seine Zerrissenheit über Gilberte :rollen:
    Wenn der Erzähler sich in einem Zimmer befindet, bringt er meines Erachtens seine besten und stimmungsvollsten Überlegungen zu tage.


    Zitat:
    ..im Fenster und auf den Scheiben vor den Wandregalen wie durch die Bullaugen einer Schiffskajüte das Meer frei daliegen zu sehen, heiter und doch verschattet auf einer Hälfte seiner Weite, die von einer schmalen, beweglichen Linie abgeschlossen wurde, und mit den Augen den Wellen zu folgen, die eine nach der anderen wie Artisten von einem Sprungbrett schnellten! Unaufhörlich kehrte ich mit meinem steifgestärkten Handtuch, auf dem der Hotelname stand und mit dem ich mich vergebens abzutrocknen versuchte, an das Fenster zurück, um noch einmal einen Blick auf die gleißende, bergig schwellende weite Arena und die schneeigen Gipfel der stellenweise in durchscheinender Glätte leuchtenden Wogen aus Smaragd zu werfen, die mit gelassener Wucht und löwenhaft gefurchter Stirn das Niederbrechen und Niederströmen ihrer Hänge spielen ließen, auf die das Sonnenlicht sein gesichtsloses Lächeln setzte. .... Zitat_ende.



    so darf es ruhig weitergehen :-)


    Zitat von "Sandhofer"


    Einerseits ja ... andererseits: Wer ist Elizabeth von Arnim?


    eine Frau mit feinen Humor ;-)
    Ich glaube "Die Reisegesellschaft" würde dir gefallen.



    Zitat von "Manjula"

    JMaria: die bisherigen Erwähnungen der Dreyfusaffäre habe ich nicht politisch aufgefasst, sondern nur in dem Zusammenhang, wer gesellschaftlich angesehen ist und wer nicht. Deshalb hat mich das auch nicht irritiert; wenn der Erzähler tatsächlich politisieren würde, wäre das allerdings schon eine Überraschung für mich


    den gesellschaftlichen Zusammenhang habe ich nicht gesehen. Danke für den Hinweis.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,
    hallo Maria !


    Zitat

    Wenn der Erzähler sich in einem Zimmer befindet, bringt er meines Erachtens seine besten und stimmungsvollsten Überlegungen zu tage.


    Ein sehr schönes Zitat !


    Ich bin nun an der Stelle, wo der Erzähler auf Saint-Loup trifft. Zuerst, wie auch anders, malt er sich bereits vor der Begegnung eine wunderbare Beziehung aus und dann ist das erste Treffen doch mehr als niederschmetternd *g*
    Zwischen beiden scheint mir eine gewisse Diskrepanz zu herrschen - der Erzähler möchte wohl gerne so sein wie Saint -Loup, aber dann doch wieder nicht. Für mich ist das auch wieder ein Abschied seiner Kindheit, wo man noch so sein darf, wie man ist und sich nicht als gekünstelte Figur darstellen muss. Ich bin gespannt, wie sich dieses Dilemma löst - ob der Erzähler weiterhin er selbst bleibt oder sich mehr Richtung Saint-Loup bewegt.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Saint-Loup ist mir noch nicht 'begegnet', doch ich denke ich bin nicht weit davon entfernt.


    Doch hat mich eine Passage sehr beeindruckt und zwar, wie sich der Erzähler mit seiner Großmutter und der Marquis Villeparisis in deren Kutsche sich drei Bäumen nähern und der Erzähler seinen Erinnerungen nachhängt. Erinnerungen, die er nicht genau fassen kann. Je näher er den Bäumen kommt, desto intensiver wird sein Gedankenfluss, doch dann macht der Weg eine Wende und sie entfernen sich von den drei Bäumen.


    Ich finde, hier zeigte sich wieder mal das geniale Ausmaß von Proust Gedankenfluss, noch dazu in Verbindung mit den Bäumen. Dieses Näherkommen und sich Entfernen von Gedanken, parallel zu den Nähern und Entfernen der Bäumen.


    Fand ich toll.


    .... Gedanken ...und entsandte sie machtvoll nach der Richtung der Bäume oder vielmehr nach jener Richtung in meinem Inneren, an deren Ende ich die Bäume in mir sah. Von neuem erfühlte ich hinter ihnen den gleichen bekannten Gegenstand, der aber doch undeutlich blieb und den ich nicht in mir heraufführen konnte. Inzwischen sah ich alle drei entsprechend der Vorwärtsbewegung des Wagens immer näher kommen. Wo hatte ich sie schon angeschaut? ... Gehörten sie vielleicht eher nur jenen Traumlandschaften an, die immer die gleichen sind, wenigstens für mich, ... ?


    Bald darauf ließ sie der Wagen an einer Biegung des Weges hinter sich zurück. Er entführte mich, fort von dem, was allein ich für wahr hielt, was allein mich glücklich gemacht hätte; er glich meinem Leben.


    Wegweisend für das Leben des Erzählers und auch traurig. Traumlandschaft, ein einprägender Ausdruck für das Leben des Erzählers.


    In einem dieser Kutschengespräche holt die Marquis Villeparisis diverse Schriftsteller vom "Sockel" und macht sie zu Menschen, mit Fehlern und Schwächen. (Balzac, Victor Hugo, Chateaubriand usw.)


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Guten Abend,


    Marcels Loslösung von Gilberte gefällt Euch nicht so, oder? Komisch, mich hat sein langsames Weggleiten von ihr gefesselt. Sehr schön fand ich folgenden Satz (seine erste Begegnung mit Albertine):

    Zitat


    Man lehnt um dessentwillen, was man liebt und was einem eines Tages gleichgültig sein wird, verachtungsvoll ab, das zu sehen, was einem heute noch gleichgültig ist und was man morgen liebt, und, hätte man sich schon früher zu einer Begegnung bereit gefunden, auch früher schon hätte lieben können, wodurch man die gegenwärtigen Leiden abgekürzt hätte, freilich nur, um sie durch andere zu ersetzen.


    Eine wunderschöne Sprache (irgendwann werde ich versuchen, einen Teil im Original zu lesen). Immer mal wieder lässt mich das Buch auch schmunzeln, z.B. als Madame Cottard gern einmal telefonieren möchte, aber keinen eigenen Apparat besitzen, denn "wenn das erste Vergnügen vorbei ist, wird das Gebimmel wahrscheinlich bald zur Qual." Wie wahr!


    Ich bin noch nicht so weit wie Ihr, hoffe aber in den nächsten Tagen aufzuholen.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]