Über Johann Gottfried Herder

  • Vielleicht wisst ihr, liebe liebe Leute, dass ich den Journal meiner Reise im Jahr 1769 mit Begeisterung las, weil er selbst mit Begeisterung schrieb, weil er sich in alles mit viel Interesse, Eifer und Leidenschaft vertieft, und weil man teil-nimmt an seinen Gedanken, denn er hatte auch viel mit-zu-teilen! Er schreibt in diesem Journal seine Gedanken und inneren Vorgänge, Monologe nieder, schreibt über Philosophen, schreibt über die Bildungspolitik, und über sich selbst, über seine (geistige) Entwicklung: Wieviel er nicht versäumt hat zu lesen! Wieviel er noch in Zukunft schreiben könnte! Über welche Themen! Wie er nicht die Welt verbessern könnte durch Beförderung von Humanität - !


    Nun lese ich also die Humanitäts-Briefe(eigentlich „Briefe zur Beförderung der Humanität“). Er selbst war übrigens auch als Prediger tätig. Aber die Humanitäts-Briefe! Herder ist so zauberhaft. Ein Weniges regt ihm zum Schreiben von so Vielen an, dass mich seine Klugheit beinahe eifersüchtig macht, dieser Herrlichste! Er ist ein fruchtbarer Boden, und nur ein Samenkorn bringt eine Menge von schönen, klaren, wunderbaren und riesigen Pflanzen hervor. Ich bin gerade mit dem dritten Brief(S.23 von etwa 800) fertig, und freue mich, freue mich darüber so sehr, dass ich noch alles lesen möchte. Er ist nicht nur ungeheuerlich gebildet und klug, sondern auch so menschlich, christlich, liebenswert, wie ein leidenschaftlicher Aufgeklärter! Und das war er doch auch!


    So eröffne ich also einen (womöglich mageren) Ordner über diesen meinen neuen Lieblings- .. menschen des 18. Jahrhunderts.


    Lieben Gruß,
    Knabe.

  • Hallo zusammen!


    Wie schon anderweitig gesagt, bin ich der Meinung, dass Herder (und Wieland) im Bewusstsein der Leser viel zu sehr hinter Goethe und Schiller, ja selbst Klopstock, rangieren.


    Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft will nächstes Jahr die Suphan-Ausgabe neu herausgeben. Ich fang schon mal an zu sparen ... :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    ist das so? Ich habe zu Herder einen viel leichteren Zugang als zu Goethe oder zu Schiller. Klopstock finde ich sehr schön. Er klingt wie ein Rilke des 18. Jahrhunderts. Herder hat auch Klopstock gemocht, denke ich. Aber rangiert er hinter ihn? Ich weiß es nicht. Du sagst, "im Bewusstsein der Leser". Ich kann das nicht urteilen, weil ich kaum Leser kenne. Ich finde solche Ranglisten auch nicht wichtig, das erinnert mich an Sport, an Formel-1 oder Ski Alpin, ich Egoistischer, ich denke nur an mich, denn wenn mir ein Werk gefällt, dann. So ist es.


    Die Briefe zur Beförderung der Humanität von Herder sind, noch einmal, wunder-wunder-wunderschön. Die Briefe sind alle recht kurz, und er stellt immer eine menschliche Persönlichkeit dar. Im 7., 8. und 9. Brief der ersten Sammlung zum Beispiel Friedrich den Großen. Oder in Briefen davor Benjamin Franklins. Man lernt dabei sehr sehr viel, nicht nur über die Menschlichkeit, - nicht nur über Moral, darüber, wie man ein guter Mensch wird, sondern über solche Persönlichkeiten selbst. Er bringt die Menschen mit viel Begeisterung den Lesern nahe. Daher schreibt er auch sehr verständlich. Er zitiert sehr oft aus ihren Schriften, damit die Leser diese Menschen auch unmittelbar kennenlernt. Herder als mein eigener Lehrer der Literatur! Ich bewundere ihn und liebe diesen Menschen.


    Ich grüße sehr sehr herzlich.
    Frohe Weihnachten.


    Übrigens, ein Klopstock-Ordner wäre vielleicht auch schön.


    Knabe.


  • Nun lese ich also die Humanitäts-Briefe(eigentlich „Briefe zur Beförderung der Humanität“). Er selbst war übrigens auch als Prediger tätig. Aber die Humanitäts-Briefe! Herder ist so zauberhaft. Ein Weniges regt ihm zum Schreiben von so Vielen an, dass mich seine Klugheit beinahe eifersüchtig macht, dieser Herrlichste! Er ist ein fruchtbarer Boden, und nur ein Samenkorn bringt eine Menge von schönen, klaren, wunderbaren und riesigen Pflanzen hervor. Ich bin gerade mit dem dritten Brief(S.23 von etwa 800) fertig, und freue mich, freue mich darüber so sehr, dass ich noch alles lesen möchte. Er ist nicht nur ungeheuerlich gebildet und klug, sondern auch so menschlich, christlich, liebenswert, wie ein leidenschaftlicher Aufgeklärter! Und das war er doch auch!


    Hallo Knabe,


    du schreibst so begeistert über die Humanitäts-Briefe, dass ich Lust bekam, da auch mal reinzuschauen. Leider habe ich bei amazon keine geeignete Ausgabe gefunden. "Journal meiner Reise ..." hatte ich mal vor Jahren als Reclam-Bändchen gelesen, wenn ich mich richtig erinnere, gibt es aber von den Humanitäts-Briefen nicht. Eine Herder-Gesamtausgabe möchte ich mir nicht unbedingt zulegen.


    Viele Grüße


  • Hallo Knabe,


    du schreibst so begeistert über die Humanitäts-Briefe, dass ich Lust bekam, da auch mal reinzuschauen. Leider habe ich bei amazon keine geeignete Ausgabe gefunden. "Journal meiner Reise ..." hatte ich mal vor Jahren als Reclam-Bändchen gelesen, wenn ich mich richtig erinnere, gibt es aber von den Humanitäts-Briefen nicht. Eine Herder-Gesamtausgabe möchte ich mir nicht unbedingt zulegen.


    Viele Grüße


    Montaigne,
    ich hab die Briefe aus der Gesamtausgabe des Deutschen Klassiker Verlages aus der Bibliothek. Vielleicht findest du sie auch bei deiner Bibliothek. Nein, bei Reclam sind sie leider nicht erschienen.


    Ich bin jetzt bei der III. Sammlung. Bisher hab ich viel gelernt über Martin Luther, Friedrich den Großen, Joseph II., Franklin, Marc Aurel, Lessing, und und und. Offenbar folgen laut Inhaltsangabe noch Briefe über Leibniz, Machiavelli, Homer, Montesquieu, Kant, Shakespeare, Swift, Brockes, Hagedorn, Haller, Gleim, Klopstock, Uz, Wieland, Geßner, Gerstenberg, Goethe, Bodmer, und über viele Gestalten der Griechischen Mythologie, und tausende mehr. Wieviel man da nicht lernt.


    Lieben Gruß.


  • ich hab die Briefe aus der Gesamtausgabe des Deutschen Klassiker Verlages aus der Bibliothek. Vielleicht findest du sie auch bei deiner Bibliothek. Nein, bei Reclam sind sie leider nicht erschienen.


    Vielen Dank für den Hinweis auf die Bibliothek. Das hatte ich fast befürchtet, dass solche Kostbarkeiten teuer bezahlt werden müssen. Aber die Bände des Klassiker Verlages sind mir dann doch zu teuer. Also bleibt hier wohl nur der ungeliebte Gang zur Bibliothek.


    Liebe Grüße zurück

  • Hallo zusammen!


    Einige Ausgaben des Klassikerverlages sind als Taschenbuch erschienen. Ich denke, dass immer 8 im Halbjahr neu erscheinen. Diese hier sind verfügbar.


    Vielleicht sind mit etwas Glück Herdersche Werke die Nächsten... viel Glück!


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10



  • Hallo FA,


    deinen Optimismus in Ehren, aber wenn ich mir das bisher als Taschenbuch erschienene ansehe (Goethe, Schiller, Hölderlin, Grimmelshausen usw.), alles was schon vielfach als Taschenbuch vorliegt, dann wird Herder wohl eher noch nicht so schnell da erscheinen, aber trotzdem vielen Dank für den Hinweis, obwohl € 25 für ein Taschenbuch, ist ja immer noch kein Pappenstiel.

  • Hallo,


    habe mir heute Journal meiner Reise im Jahr 1769 bestellt. Entweder gibt es das Buch komplett überteuert (über 100 Euro) oder als Reclam. Wieso werden manche Autoren so wenig beachtet? Wird Herder echt so wenig gelesen, dass sich ein kleines, nettes, preiswertes Buch nicht lohnt?


    Katrin

  • Wird Herder echt so wenig gelesen, dass sich ein kleines, nettes, preiswertes Buch nicht lohnt?


    Hm ... vor ein paar Jahren habe ich geschrieben:


    Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft will nächstes Jahr die Suphan-Ausgabe neu herausgeben.


    Daraus wurde meines Wissens nichts.


    Einige Ausgaben des Klassikerverlages sind als Taschenbuch erschienen. Ich denke, dass immer 8 im Halbjahr neu erscheinen. Diese hier sind verfügbar.


    Vielleicht sind mit etwas Glück Herdersche Werke die Nächsten... viel Glück!


    Da gibt es m.W. nicht mehr oder noch nicht alle Teile einer 10-bändigen Ausgabe. Das ist wohl die, die Du meinst mit "völlig überteuert". Ja, Herder wird viel zu wenig beachtet. Und seit dem Fall der Mauer schon gar, denn zumindest in der DDR versuchte man, sein Andenken ein bisschen hoch zu halten. (Was nun keine Rechtfertigung sein soll für das menschenverachtende Regime jener Zeit.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Da gibt es m.W. nicht mehr oder noch nicht alle Teile einer 10-bändigen Ausgabe. Das ist wohl die, die Du meinst mit "völlig überteuert". Ja, Herder wird viel zu wenig beachtet. Und seit dem Fall der Mauer schon gar, denn zumindest in der DDR versuchte man, sein Andenken ein bisschen hoch zu halten. (Was nun keine Rechtfertigung sein soll für das menschenverachtende Regime jener Zeit.)


    Ja, die meine ich: [kaufen='3618607946'][/kaufen]
    102 Euro für ein Buch ist ein wenig überzogen, auch wenn es knapp 1500 Seiten hat. Daher habe ich bei reclam bestellt.


    Katrin

  • Hallo Jaqui,


    die Bedenken kenne ich, hatte ich kürzlich ein ähnliches Problem. Das Werk von Seume gibt es im Klassiker Verlag 3 Bände für je 80 Euro. Mich hätten besonders die Briefe interessiert, doch 80 Euro sind mir zuviel. Taschenbuch bisher nicht in Sicht. Seufz.


    Kürzlich habe ich mir von Herde seine Italienische Reise gekauft; Briefe und Tagebuchaufzeichnungen 1788 -1789.


    Safranski beginnt in seinem Buch "Romantik" mit Herder im 1. Kapitel. "Herder sticht in See".

    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Herder sollte der Goethe-Verehrer als Kontrast und Ergänzung - z.B. auch zu Goethes Italienischer Reise - unbedingt gelesen haben. Aber, Vorsicht: Herder ist eine Nervensäge! :breitgrins: :winken: Ich kenne von ihm neben dem einen oder andern Lyrischen vor allem seine Schrift über den Ursprung der Sprache (lesenswert!), seine Ideen zu einer Geschichte der Menschheit (auch lesenswert). Und natürlich seine italienische Reise. Falls Ihr euch zu gebrauchten Büchern entschliessen könnt: Es gibt antiquarisch jede Menge verschiedenster als Leseausgaben durchaus brauchbarer Herder-Werkausgaben aus der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Die meisten kosten nicht mehr als einen Appel und ein Ei.


    Und als Gegengewicht zu Herder sollte man dann Hamann lesen ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Aber, Vorsicht: Herder ist eine Nervensäge! :breitgrins: :winken: Ich kenne von ihm neben dem einen oder andern Lyrischen vor allem seine Schrift über den Ursprung der Sprache (lesenswert!) ...


    Na ich weiß nicht, zumindest wenn sich lesenswert auf den philosophischen Gehalt beziehen sollte :smile: (dafür ist die Charakteristik als Nervensäge schon eher zutreffend :zwinker:). Aber die äußert blumenreiche Sprache Herders hat mir erhebliches Amusement bereitet. Wenn er etwa über den selbstreflexiven Menschen - aber man lasse ihn selbst sprechen:


    Zitat von Herder


    "Der Mensch beweiset Reflexion, wenn die Kraft seiner Seele so frei würket, daß sie in dem ganzen Ozean von Empfindungen, der sie durch alle Sinnen durchrauschet, eine Welle, wenn ich so sagen darf, absondern, sie anhalten, die Aufmerksamkeit auf sie richten und sich bewußt sein kann, daß sie aufmerke."


    Und nun schreitet Herder zur Dokumentation der Kategorienbildung anhand eines Lammes, das sich da seiner Seele ganz unverhofft präsentiert:


    Zitat von Herder

    "Lasset jenes Lamm, als Bild, seinem Auge vorbeigehn: ihm wie keinem andern Tiere. Nicht wie dem hungrigen, witternden Wolfe! nicht wie dem blutleckenden Löwen - die wittern und schmecken schon im Geiste! die Sinnlichkeit hat sie überwältigt! der Instinkt wirft sie darüber her! - Nicht wie dem brünstigen Schafmanne, der es nur als den Gegenstand seines Genusses fühlt, den also wieder die Sinnlichkeit überwältigt und der Instinkt darüber herwirft. Nicht wie jedem andern Tier, dem das Schaf gleichgültig ist, das es also klardunkel vorbeistreichen läßt, weil ihn sein Instinkt auf etwas anders wendet. - Nicht so dem Menschen! Sobald er in die Bedürfnis kommt, das Schaf kennenzulernen, so störet ihn kein Instinkt, so reißt ihn kein Sinn auf dasselbe zu nahe hin oder davon ab: es steht da, ganz wie es sich seinen Sinnen äußert. Weiß, sanft, wollicht - seine besonnen sich übende Seele sucht ein Merkmal - das Schaf blöket! sie hat Merkmal gefunden. Der innere Sinn würket. Dies Blöken, das ihr am stärksten Eindruck macht, das sich von allen andern Eigenschaften des Beschauens und Betastens losriß, hervorsprang, am tiefsten eindrang, bleibt ihr. Das Schaf kommt wieder. Weiß, sanft, wollicht - sie sieht, tastet, besinnet sich, sucht Merkmal - es blökt, und nun erkennet sies wieder! »Ha! du bist das Blökende!« fühlt sie innerlich, sie hat es menschlich erkannt, da sies deutlich, das ist mit einem Merkmal, erkennet und nennet."


    Abgesehen vom philosophischen Gehalt der Ausführungen (der auch, naja, bescheiden ist) besteht das Lesenswerte der Herderschen Ausführungen wohl eher im "brünstigen Schafmanne" und der pittoresken Kategorienbildung "Ha! du bist das Blökende!" der Seele (von der ich auch nie recht weiß was sie denn ist in der Vorstellung des Schreibenden).


    Grüße


    s.

  • Aber die äußert blumenreiche Sprache Herders hat mir erhebliches Amusement bereitet.


    Ich sag' ja: lesenswert :breitgrins:.


    Der philosophische Gehalt - nun ja wohl mehr für den Philosophie- bzw. Wissenschaftshistoriker relevant. Herder - obwohl Theologe - war m.W. der erste, der die menschliche Sprachfähigkeit nicht auf den lieben Gott zurückführte. Gut, die "Seele" ist auch problematisch, aber die wirkt hier immerhin ohne göttlichen Einfluss, ohne dass Gott Adam die Tierchen der Reihe nach präsentiert und von ihm benamsen lässt.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • In "Grimms Wörter" setzt Grass den Herder postum, bei einem Vortrag über das Alter von Jakop Grimm, ins Publikum. Das kann vielleicht Herder wieder ins Rampenlicht zerren und die Verlage ein Geschäft wittern lassen.

  • Die WBG wird noch mein Ruin sein ... :grmpf: :breitgrins:


    Ausserdem bin ich überzeugt, dass jemand von dort hier mitliest. Weil:


    Hm ... vor ein paar Jahren habe ich geschrieben:



    Daraus wurde meines Wissens nichts.


    Nun ist plötzlich die Olms-Ausgabe bei der WBG zum reduzierten Preis erhältlich: http://www.wbg-wissenverbindet…w,16723,Herder.html#16723


    Hab' sie nun bestellt. € 400.00 für 33 Bände, dazu noch historisch-kritisch - da kann der Klassiker-Verlag einpacken. :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus